Selbst auf den ersten Blick l?sst sich Camp 1 nur schwer mit den anderen Stützpunkten vergleichen. Neben der Gr??e der rechteckigen Anlage fallen einem vor allem direkt die Ecktürme auf. Locker zwanzig Meter ragen die Holzkonstruktionen in die H?he. Wenn ich eine Langstreckenwaffe mit nicht unerheblicher Zerst?rungskraft w?re, würde ich mich auch in solch einem Zuhause wohl fühlen. Statt jeden Zentimeter mit Sprengstoff zu überschütten, verl?sst man sich hier auf jede Menge Wassergr?ben. In verschiedenen Abst?nden zur Festung, sowie augenscheinlich einmal um den ganzen Komplex herum verlaufen die Verteidigungsma?nahmen. Wer auch immer die ganze Schei?e ausbuddeln durfte, wurde hoffentlich entsprechend dafür entsch?digt.
Der einzige Weg zum Camp selbst führt über h?lzerne Brücken, welche man bei Bedarf hoch- beziehungsweise runterkurbeln kann. Gepaart mit einer Meute an kampfeslustigen Abenteurern kann man sich gut vorstellen, warum dieses Bollwerk bisher jeden noch so heftigen Angriff der Einheimischen abwehren konnte.
Wir betreten Camp 1 unter dem anerkennenden Beifall der stationierten Abenteurer. Es ist ein surreales Gefühl, wirklich hier zu sein. Trotzdem wünsche ich mir im Moment nichts sehnlichster als einen Platz zum Schlafen. Bevor wir uns aber aufs Ohr legen k?nnen, gilt es erst einer Ansprache des gegenw?rtigen Chefs des Camps zu lauschen. Da mir aber sowohl die Lust, als auch der Wille dazu fehlen, h?re ich dem Mann nicht wirklich zu. Ab morgen wird sowieso Herr Friedrich die Leitung übernehmen, welcher die Dinge gegebenenfalls anders handhabt als sein Vorg?nger.
Der fast zwei Meter gro?e Abenteurer war auf dem Schlachtfeld kaum zu übersehen. Herrn Friedrichs Waffe der Wahl ist eine wuchtige Zweihandaxt. Wann immer ich den Rang 3 gesehen habe, war er allerdings witzigerweise im Fernkampf aktiv. Eine seiner Fertigkeiten scheint seine Axthiebe in f?cherartige Projektile zu verwandeln. Normalerweise erschweren die zahlreichen Hindernisse im Wimmerwald den Nutzen von Angriffen mit gro?er Reichweite. Wenn deine Fertigkeit jedoch durch jedes Objekt auf seinem Weg wie Butter gleitet, sieht die Sache anders aus. Mit einer Spannweite von mehreren Metern eignet sich jeder dieser Hiebe, um Dutzende von Spinnen zu verstümmeln oder gar direkt zu t?ten. Insgesamt zwar nicht so beeindruckend wie Marcos Demonstration bei der Belagerung von Silberstieg, aber wer wei? schon zu was der kr?ftige Herr in seiner Eisenrüstung sonst noch so f?hig ist.
Nach einer erholsamen Nacht verabschieden wir die Abenteurer, welche sich auf den Weg zurück in die Zivilisation machen. Obwohl sich die Bev?lkerung des Wimmerwalds schnell von unseren Massakern der letzten Tage erholen wird, steht den Frauen und M?nner definitiv ein weit weniger intensiver Rückweg bevor. Wenn alles glatt geht, werde ich den gleichen Luxus in zwei bis drei Monaten in Anspruch nehmen k?nnen.
Den restlichen Tag nutzen wir gr??tenteils, um uns mit allem im Camp vertraut zu machen und unsere Sachen zu waschen. Eine ?u?erst zeitintensive, wenn auch bitter n?tige Arbeit.
Camp 1 gleicht einem gro?en Dorf. Es gibt Schmieden, Alchemisten, Schneider, eine kleine Kirche, mehrere Tavernen und sogar eine B?ckerei. Zus?tzlich werden an mehreren Orten die verschiedenen Materialien des Wimmerwaldes angekauft und weiterverarbeitet. Die beiden Hauptunterschiede zu einer normalen Siedlung sind, dass praktisch jeder mit einer Waffe heruml?uft und selbst die allt?glichsten Sachen eine ordentliche Stange Sil kosten. Selbst das Wimmern der Einheimischen ist hier nur selten zu h?ren. Dafür erschrecke ich mich ungef?hr ein dutzend Mal, als pl?tzlich die Waffen der Türme losgehen. Die Dinger sind schei?e laut! Keine Ahnung woher die Leute wissen, wohin sie schie?en müssen, aber eine gewisse Vorwarnung w?re meiner Meinung nach echt nicht zu viel verlangt!
Das Haus des Campchefs ist zweifellos die Anlaufstelle innerhalb des Walls. Egal ob es darum geht einen Streit zu schlichten, ob man nach neuen Missionen sucht oder einfach nur wissen will, wo man sich am besten mit einem der einheimischen Arten anlegen kann, Herr Friedrich und seine Helfer k?nnen einem bestimmt weiterhelfen.
Der zweite Rang 3 Abenteurer ist Herr Pappel. Nach Herrn Friedrich hat er den meisten Einfluss auf alle Entscheidungen, die das Camp betreffen. Laut Paul wird sich der Frontk?mpfer allerdings eher auf die Probleme au?erhalb der Mauern konzentrieren. Zum Beispiel fallen Rettungsmissionen oder die Vernichtung von Nestern in sein Zust?ndigkeitsgebiet. Ich pers?nlich k?nnte mir auch nichts Sch?neres vorstellen, als freiwillig in ein Wimmerspinnen-Nest zu laufen. Ein Garant für Alptr?ume aller Art! Im Vergleich dazu h?rt sich mein pers?nlicher Auftrag in dieser grünen H?lle schon beinahe wie Witz an.
Wir brauchen eine gute halbe Stunde, um das Grenzgebiet zu unseren sechsbeinigen Nachbarn zu erreichen. Bis auf sporadisch aufgestellte Warnschilder vor Ameisen, finden wir allerdings keine Verteidigungsma?nahmen vor. Fairerweise sind Mauern oder Z?une gegen die Tiere auch ziemlich nutzlos. Falls sich also wirklich eine gr??ere Anzahl der Tiere einmal jenseits der Schilder wagt, l?sst man einfach ein paar Feuerb?lle vom Himmel regnen und die Sache ist erledigt.
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Die erste braune Armeeameise krabbelt wenig sp?ter gut sichtbar durch den lichten Wald. Ein offensichtliches Exemplar der Soldatenkaste, was man gut an der Gr??e des Tieres und an seinen kr?ftigen Mandibeln erkennen kann. Jede Ameise geh?rt einer von sechs Kasten an. Es ist fast so wie bei uns Menschen, die sich im Alter von zw?lf Jahren für einen Klassentyp entscheiden müssen. Diese Klassen sind bei Ameisen allerdings bereits von Geburt an festgelegt. Von gro? nach klein w?ren das K?nigin, Soldat, Schütze, Arbeiter, Bruthelfer und schlie?lich Magier. Jede mit ihrer eigenen, speziellen Aufgabe innerhalb der Kolonie. Wir beobachten das Waldstück noch eine Weile l?nger und machen uns schlie?lich auf den Rückweg.
Die n?chsten drei Tage verbringe ich mit weiteren Beobachtungen entlang der Grenze. Der erste Schritt in meinem v?llig wasserdichten Plan ist den Ameisen zu vermitteln, dass ich keine Bedrohung für sie bin. Viel Zeit in Sichtweite der Tiere zu verbringen ist deshalb schonmal ein guter Anfang. Des Weiteren versuche ich, das Verhalten der Tiere besser zu verstehen. Fühlen sie sich durch mich bedroht? Wie wachsam sind sie? Wirken die Ameisen unruhig? Nach drei Tagen irgendeine Aussage diesbezüglich zu treffen ist verdammt schwierig. Wie zum Teufel würde überhaupt eine nerv?se Ameise aussehen? Ich bin mir zumindest sicher, dass die kleinen Kerlchen sich meiner Anwesenheit bewusst waren. Solange ich aber auf meiner Seite der Schilder bleibe, scheinen sich die Soldaten mit einem Starrwettbewerb zufrieden zu geben.
Zwei Tage stapfe ich durch den str?menden Regen in Richtung der Grenze. Mir bleiben noch rund 29 Tage, um "Ungew?hnlicher Vermittler” abzuschlie?en. Es wird Zeit für den n?chsten Schritt. Nach einer kurzen Beobachtungszeit trete ich schlie?lich über die unsichtbare Grenze, mache fünf gro?e Schritte und setze mich in die aufgeweichte Erde. Paul und Kurt warten mit gezückten Waffen direkt an den Schildern. Sollte die Lage eskalieren, k?nnen sie mir unverzüglich aus der Patsche helfen. Es dauert nicht lange, bis eine der Arbeiterameisen mein Eindringen in ihr Territorium bemerkt und unmittelbar die Flucht ergreift. Weniger sp?ter kommen an ihrer Stelle zwei Soldatenameisen auf mich zu und klacken bedrohlich mit ihren Mundwerkzeugen. Ich rühre mich nicht einen Millimeter. Die Tiere bleiben gesch?tzte drei Meter von mir entfernt stehen: Klack Klack Klack!
Statt mich zu bewegen, versuche ich es mit einer freundlichen Winkbewegung. Als Antwort auf mein gut gemeintes “Hallo”, stürzen sich die Tiere kurzerhand auf mich. Mir bleibt gerade noch genug Zeit, um den ersten Angreifer davon abzuhalten, nach meinem Gesicht zu schnappen.
Den stechenden Schmerz in meiner Wade ignorierend, rolle ich verzweifelt durch den Schlamm. Die Tierchen sind Rang 2 und legen sich bei Bedarf auch gerne mal mit Ritterspinnen an. Im Gegensatz zu diesen Monster verfüge ich aber nicht über Panzerung, die mich vor den kr?ftigen Kiefern der Tiere schützt. “Versucht die Ameisen nach M?glichkeit nicht zu verletzen!”, rufe ich meinen Kameraden zu. Selbst wenn dieser Versuch alles andere als optimal verlief, bringen uns tote Ameisen nicht weiter. Kurz darauf liege ich blutend im Matsch auf der sicheren Seite der Schilder. Zwei erfolgreiche Angriffe und ich bin direkt 45 Lebenspunkte los. Mit den kleinen Kerlchen ist echt nicht zu scherzen.
Wider besseren Wissens befinde ich mich am n?chsten Tag wieder an derselben Stelle. Im Gegensatz zu gestern bin ich heute aber mit meinem Glas Honig und einem L?ffel bewaffnet. Begrü?t werde ich von dem Anblick einer Soldatenameise, welche augenscheinlich schon auf mich zu warten scheint. Zumindest ist das meine Vermutung, da die Tiere normalerweise das Gel?nde patrouillieren und nicht auf der Stelle stehen und in eine Richtung starren. Ist das jetzt gut oder schlecht? Für meinen heutigen Plan macht es jedenfalls keinen Unterschied. Ich tauche den L?ffel in den z?hflüssigen Honig und stecke ihn in den aufgeweichten Waldboden jenseits der Schilder. Klack Klack! Ist ja gut, ich geh schon wieder!
Wir verstecken uns und behalten den L?ffel im Blick. Irgendeine neugierige Ameise wird ja wohl sicherlich den Honig bemerken und auskundschaften. Stunden sp?ter sind wir nicht nur nass bis auf die Knochen, sondern der L?ffel ist immer noch unangetastet. Wir entscheiden uns dafür hier abzubrechen und morgen wiederzukommen.
Es schüttet in Str?men! Was für ein absolutes Dreckswetter! Trotzdem will ich zumindest sehen, ob der L?ffel noch da ist, oder ob es das gute Stück davongespült hat. Vor Ort finden wir schlie?lich das Stück Holz in einem kleinen Erdhügel steckend auf unserer Seite der Grenze wieder. Ach du Schei?e! Ich sehe mir den Haufen n?her an. Das Ganze ist absolut faszinierend. Der Erdhügel besteht eindeutig aus verdichteter Erde. Offenbar hat also nicht nur eine Ameise den Honig gefunden und verschlungen, sie hat auch noch eine regenfeste Konstruktion gebaut, um dafür zu sorgen, dass wir den L?ffel wieder abholen k?nnen! Selbst Paul ist von diesem Anblick v?llig verblüfft.
Innerhalb weniger Minuten haben wir unseren eigenen Erdhügel auf der Seite der Armeeameisen errichtet. Hoffentlich kommt unser kleines Schleckermaul wieder!