Viel Zeit, um über den Weggang von Sophie traurig zu sein, bleibt mir nicht. Einer der fahrenden H?ndler m?chte zu seiner ersten Ausfahrt des Jahres aufbrechen. Warum man allerdings zum Bewachen von ein paar eingemachten Früchten, Wein und gep?keltem Fleisch einen Magier engagiert, ist mir schleierhaft. Immerhin sind Vertreter meiner Zunft alles andere als billig.
Unsere Route ist fairerweise nicht ganz ungef?hrlich. Banditen sind immer eine tendenzielle Bedrohung und auch Angriffe von wilden, hungrigen Tieren sind ein m?gliches Risiko. Gleichzeitig besteht aber auch die Chance, dass in der gut fünf Wochen langen Reise absolut gar nichts passiert. Alltag im Leben eines Abenteurers.
Herr K?hler erweist sich als rundlicher, eher kleiner Mann mit kr?ftigem H?ndedruck: “Es freut mich, Sie kennenzulernen Herr Lang.” Ich begrü?e den H?ndler freundlich. “Verzeihen sie mir diese merkwürdig erscheinende Nachfrage, aber sie sind wirklich der Magier der Sira-Gilde?” Ich erwidere die Frage zun?chst mit einem Stirnrunzeln. Die Kombination aus dem Pin auf meinem Umhang und einer Anwendung Identifizieren sollte eigentlich keine Zweifel an meiner Person lassen: “Was l?sst sie an meiner Person zweifeln, wenn ich fragen darf?” “Nunja, den Geschichten zufolge hatte ich ein… anderes Bild von ihnen.”
Ich kneife die Augen zusammen. Der H?ndler hat es bisher vermieden, mich direkt anzusehen. Herr K?hler scheint offenbar kein allzu gro?er Freund meiner neuen Sehorgane zu sein. Eine Tatsache, die ihn in meinem Buch direkt etliche Stufen nach unten katapultiert: “ Sie haben extra bei der Sira-Gilde nach mir verlangt und hier bin ich. Erz?hlungen tendieren manchmal dazu, von der Realit?t abzuweichen. Ich versichere ihnen dennoch, mich den Anforderungen dieser Mission gewachsen zu fühlen. Ansonsten k?nnen wir uns in der Gilde auch gerne über die Aufhebung des geschlossenen Vertrages unterhalten.” “D-Das wird nicht n?tig sein Herr Magier”, erwidert der nun schwitzende H?ndler. “Ich war nur ein wenig überrascht von ihrem Erscheinungsbild, mehr nicht. Ihre vergangenen Taten sprechen für sich und ich bin froh sie an Bord zu haben.”
Wie ich solches Rumgeschleime hasse. Herr K?hler will blo? keine Entsch?digung für das Aufheben des Vertrages zahlen. Einen Nicht-Magier h?tte der Typ schon l?ngst nach Hause geschickt.
Kurze Zeit sp?ter treffen auch meine Kollegen für diesen Auftrag ein. Die beiden Krieger entpuppen sich als Mitglieder der Lehmann-Gilde. Nach einer noch eher zurückhaltenden Begrü?ung bricht aber im Laufe der ersten Tage das Eis. Ein guter Umgang zwischen Abenteurern ist immer von Vorteil. Schlie?lich ist man im Ernstfall aufeinander angewiesen. Trotzdem bemerke ich schnell eine gewisse Barriere zwischen uns, die sich nicht so schnell abbauen l?sst. Ob diese Distanziertheit jedoch an meinen Augen, dem Magier sein oder an meinem Charakter liegt, kann ich nicht so genau sagen.
In dieser Hinsicht sind die Dorfbewohner eine ganze Ecke einfacher zu lesen. Egal welche Ortschaft wir besuchen, fast alle scheinen zumindest eine geh?rige Portion Respekt vor mir zu haben. Es kursieren viele schlimme Geschichten im Zusammenhang mit Magiern. Das meine Kollegen sich oft aufgrund ihrer Herkunft überlegen fühlen und dies auch zeigen, macht es nicht besser. Wenn man dann noch meine sonderbaren Augen bedenkt, ist die Reaktion der Leute durchaus verst?ndlich.
Für Herrn K?hler und seinen Mitarbeiter wirkt sich dieser Effekt finanziell recht positiv aus. Keiner traut sich in Gegenwart eines Magiers gro?artig zu feilschen oder gar zu klauen.
Im Umkehrschluss ist die Reise für mich bisher ziemlich langweilig. Nebenbei ein wenig an meinen Zaubern zu feilen f?llt auch aus. Die Dorfbewohner würden eventuell schon beim Anblick eines Rindenschildes in Panik verfallen und sich bei dem st?ndigen Geruckel w?hrend der Fahrt zu konzentrieren f?llt mir schwer. Positiv betrachtet kann ich mich so zumindest in aller Ruhe an meine neue Sicht gew?hnen.
Sofern ich das feststellen kann, hat sich meine Sehkraft überhaupt nicht ver?ndert. Dafür wirken allerdings alle Farben viel intensiver. Der Himmel ist irgendwie blauer, die ersten Bl?tter sind grüner und das Licht einer Kerze greller als vor meinem Rangaufstieg. Besonders bunte Sachen anzuschauen, brennt tats?chlich ein wenig in den Augen. Weitere Nachteile sind mir jedoch noch nicht aufgefallen. Wozu das Ganze gut sein soll, wei? vermutlich nur das System oder eine “Elite des Waldes”.
W?hrend ich aber versuche, die Zeit irgendwie zu überbrücken, fallen den Kriegern und mir mehrere Ungereimtheiten auf. Wenn die D?mmerung über einem der D?rfer so langsam hereinbricht, wirkt Herr K?hler manchmal zunehmend nerv?ser. Seine n?chtlichen Ausflüge bleiben ebenfalls nicht unbemerkt. Ohne diese Geheimniskr?merei w?re das alles keine gro?e Sache. Da wir aber vertraglich bedingt um seine Sicherheit besorgt sein müssen, gehen uns diese mysteri?sen Ausflüge sehr wohl etwas an. Von elf Tagen, an denen wir in D?rfern übernachtet haben, hat sich der H?ndler in fünf davon versucht, davon zu stehlen. Zweimal haben wir ihn verloren und dreimal ist er mit einer Kiste unter dem Arm in einem unscheinbaren Wohnhaus verschwunden. Einige Zeit sp?ter verl?sst Herr K?hler dann das Geb?ude wieder ohne besagten Gegenstand und kehrt in unsere Unterkunft zurück. Darauf angesprochen erhalten wir nur ausweichende Antworten.
A case of literary theft: this tale is not rightfully on Amazon; if you see it, report the violation.
Die Chancen stehen also gut, dass der Inhalt der Kisten zumindest dubioser Natur ist. Was wir dagegen tun werden? Nunja, vorerst nichts. Für die Einhaltung geltender Gesetze zu sorgen ist die Aufgabe anderer Leute. Gerade ohne konkrete Beweise kann sowas auch ganz schnell eine Menge ?rger nach sich ziehen. Solange wir bei unseren Beobachtungen jetzt nicht auf etwas sto?en, was uns selber mit in die Schei?e reiten kann, werden wir die Fü?e stillhalten. Zus?tzliche Nachtschichten selbst innerhalb der Zivilisation schieben zu müssen ist trotzdem nervig.
Die Tage verstreichen ohne weitere Zwischenf?lle und wir kehren heil nach Torfbergen zurück.
Fünf Level am Stück aufzusteigen ist auch ein neues, erstes Mal für mich. Wahrscheinlich sollte ich diesen Moment gut in Erinnerung behalten. Vielleicht spendet mir der Gedanke ja Trost, wenn ich sp?ter mehrere Monate für ein einzelnes Level schuften muss.
Zurück in der Gilde finde ich ein reges Treiben vor. Offenbar hat es im Einzugsbereich von Torfbergen in den letzten Wochen mehrere, bisher ungekl?rte Todesf?lle gegeben. Was das Ganze aber so brisant macht ist, dass auch einer der Gildenanführer unserer Stadt zu den Opfern geh?rt. Da Personen des dritten Ranges normalerweise nicht einfach tot umfallen, hat sich Herr Baron Lester der Sache pers?nlich angenommen.
Konkretes dringt von den Ermittlungen wohl bisher kaum an die ?ffentlichkeit. Was alle Toten miteinander gemein haben ist, dass sie wohl merkwürdige, schwarze Linien aufweisen. Natürlich halten begrenzte Informationen die Leute nicht davon ab, bereit mit wilden Spekulationen um sich zu werfen. Von m?glichen Vergiftungen, über den Angriff eines unbekannten Tieres, bis hin zu dem Werk eines Anwenders dunkler Magie ist alles dabei.
Gleichzeitig kreiert das pl?tzliche Ableben einer einflussreichen Person neue Spannungen zwischen den Gilden. Man steht schlie?lich im st?ndigen Wettbewerb miteinander. Ohne einen Rang 3 an der Spitze droht die Gilde des blauen Schildes nun zusammenzubrechen. Die feine Balance zwischen den etablierten Fraktionen droht zu kippen. Eine entsprechende Nervosit?t kann ich deshalb in den Gesichtern meiner Kollegen durchaus nachvollziehen.
Das ein wildes Tier für solch eine Serie an Angriffen verantwortlich sein soll, halte ich für unwahrscheinlich. Irgendjemand im Torfbergen w?re ein solches Wesen sicherlich aufgefallen. Da gleichzeitig auch solche Todesf?lle im Umland auftauchen, müsste das Biest schon ziemlich flott unterwegs sein.
Andererseits gibt es Tiere mit Tarnfertigkeiten. Für einen Vogel w?ren solche Strecken ebenfalls ein Kinderspiel. Trotzdem h?tte sich doch ein Rang 3 Frontk?mpfer selbst bei einem überraschungsangriff irgendwie zur Wehr gesetzt. Angeblich ist er aber abends in seinem Zimmer einfach zusammengebrochen und verstorben. Klingt für mich viel eher nach einem Giftanschlag, als dem Werk einer ansonsten wirklich furchteinfl??enden Kreatur. Doch warum sollte man dann auch normale Leute augenscheinlich wahllos vergiften? Vielleicht haben der oder die Strippenzipper den Wirkstoff erst einmal getestet? Da allerdings immer noch Menschen sterben, macht diese Theorie auch keinen Sinn. Ohne weitere Informationen sind meine überlegungen genauso viel wert wie vom n?chstbesten Kaufmann. Wenn sich Herr Lester pers?nlich darum kümmert, dann bleibt mir nur zu hoffen, dass die Angelegenheit m?glichst schnell aufgekl?rt wird. Trotzdem schadet es ja nicht, die Augen und Ohren offen zu halten.
Zurück in meinem Zimmer, finde ich einen Brief auf meinem Bett vor. Die Absenderin ist Rina Warscher. Ich ?ffne den Umschlag und meine Laune verbessert sich schlagartig. Offenbar hat die Warscher-Familie ihre Suche nach Informationen zu meiner Person abgeschlossen. Die Feuermagierin fragt nach einem Termin zur Einl?sung unserer Vertragsschulden. Mein erster Instinkt ist es, sofort zum Anwesen der Adligen aufzubrechen. Allerdings ist es schon ziemlich sp?t. Somit werde ich mich wohl bis morgen gedulden müssen. Vor lauter Aufregung f?llt mir das Einschlafen schwer. Ich bin gespannt zu erfahren, ob die Adlige irgendetwas über mich herausbekommen hat.