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Kapitel 71: Privilegien

  Soviel zu meinem Ziel, eine sehr gute, ungew?hnliche Rang 2 Spezialisierung nehmen zu wollen. Jede einzelne Option erfüllt dieses angeblich schwer zu erreichende Kriterium! Vier verdammte, seltene M?glichkeiten! Eine lebensgef?hrliche Mission nach der anderen bew?ltigen zu müssen, zahlt sich am Ende des Tages scheinbar aus. Auch die Tatsache, dass ich ein Abweichler bin, hat sicherlich zu dieser Auswahl beigetragen. Trotzdem wirkt diese Optionspalette schlicht surreal. Ich bezweifel einfach mal, dass selbst Adlige der Hauptstadt mit ihren “perfekten Klassen" solch eine Auswahl pr?sentiert kriegen. Hier eine gute Wahl zu treffen, ist keine leichte Angelegenheit.

  Holzmagier ist die am einfachsten zu verstehende Spezialisierung. Sie scheint die direkte Fortsetzung meiner bisherigen Klasse zu sein. Die Attributspunkte pro Level erh?hen sich um jeweils eins, es gibt einen zus?tzlichen, frei verfügbaren Punkt und noch eine Wahrnehmung oben drauf. Vor allem das Attribut, welches die eigenen Sinne beeinflusst, scheint für fortgeschrittener Naturmagier nicht unwichtig zu sein. Immerhin gew?hrt mir fast jede Option Wahrnehmung. Mehr von dem zu lernen, was ich bereits wei?, klingt nach keiner schlechten Idee. Holzmagier w?re also somit die Auswahl mit den potenziell wenigsten, b?sen überraschungen.

  Die Beschreibung des Waldmagiers ist ebenfalls gut zu verstehen. Komplexe Magie, gepaart mit entsprechend manahungrigen Zaubern klingt für mich auf den ersten Blick jedoch nicht gerade interessant. Klar helfen 6 Einsicht pro Level bei den entstehenden Manaproblemen. Andererseits bekomme ich dann auch Fertigkeiten pr?sentiert, die vermutlich hunderte von Mana kosten. Auch die extra Betonung auf der Diversit?t reizt mich nicht. Ich will lieber in einem gewissen Bereich gl?nzen k?nnen, als für wirklich jede Situation gerüstet zu sein.

  Blutholzmagier ist eine Richtung, die ich so gar nicht auf den Schirm hatte. Meine oberste Priorit?t war es eigentlich immer, m?glichst unverletzt aus einer Situation herauszukommen. Diesen, meiner Meinung nach v?llig normalen Gedanken, nun ein Stück weit ad absurdum zu führen, fühlt sich falsch an. Solch eine Spezialisierung zu w?hlen würde au?erdem endgültig die Kirche zu meinen erkl?rten Feinden machen. Nicht, dass ich bisher gute Freunde mit den streng Gl?ubigen geworden w?re. Immerhin geh?ren auch Abweichler zu den Sachen, die sie so gar nicht m?gen. Blutmagie steht allerdings, gemeinsam mit Nekromantie, ganz oben auf ihrer Abschussliste. Würde mich die Beschreibung in seinen Bann ziehen, würde ich m?glicherweise über so ein Risiko nachdenken. Da dem aber nicht so ist, streiche ich den Blutholzmagier gedanklich von meiner Liste.

  Somit kommen wir zu den beiden mysteri?sen Varianten. Naturgestalt spricht von einem Fokus auf Fertigkeiten gegen Lebewesen, die einem “zu nahe kommen”. Klingt für mich wie ein Magier mit geringer bis mittlerer Zauberreichweite. Allerdings kann mich auch ein Bogenschütze aus 50 Meter Entfernung erschie?en, weil ich in seine Reichweite gelaufen bin. Genauso unklar ist für mich dieser “Elite des Waldes” Ausdruck. Diese Formulierung muss nichts Schlechtes sein, doch wenn es das System extra erw?hnt, hat es sicherlich eine Bedeutung.

  Von Gleichgesinnten verehrt, von Feinden gefürchtet. Die Rede ist hier nicht von Freunden, sondern von Leuten mit einem ?hnlichen moralischen Kompass. Bei dem Begriff “verehren” schwingt auch eine gewisse, religi?se Note mit. Vielleicht gibt es irgendwo einen Kult, der den Eliten des Waldes huldigt? Pl?tzlich angebetet zu werden, w?re definitiv merkwürdig. Allerdings wüsste ich nicht mal von wem oder was. Im Land der Menschen gibt es nur den Glauben der Kirche. Wie es jenseits der Grenzen aussieht? Keine Ahnung. Jegliche Landesgrenze befindet sich jedoch hunderte von Kilometern entfernt. Das m?gliche Risiko bei dieser Spezialisierung erscheint mir also überschaubar. Naturgestalt gew?hrt gute Attribute pro Level und die Richtung der potenziellen Fertigkeiten sagt mir auch zu. Mit dieser Option k?nnte ich durchaus leben.

  Botaniker der Wildnis liest sich für mich wie eine Option zur Spezialisierung auf Fallenfertigkeiten. Auch wenn ich in letzter Zeit meine Pflockfalle eher seltener benutze, bin ich mir den taktischen M?glichkeiten solcher Fertigkeiten durchaus bewusst. Mit ein paar weiteren Optionen in diese Richtung k?nnte ich ein sehr unangenehmer Gegenspieler werden. Sowohl Naturgestalt als auch Botaniker der Wildnis scheinen so ein wenig von der “Wolf im Schafspelz” -Nummer zu profitieren. Im Gegenzug zur vorher angesprochenen Spezialisierung wird diese aber vermutlich eine Ecke passiver sein. Wie man am Beispiel der Fallensteller im Camp 4 gut beobachten konnte, sind solche Leute In Verteidigungsszenarien absolute spitze. Sobald es aber in die Offensive geht oder man mit überraschungen umgehen muss, wird es kniffliger.

  Zus?tzlich haben Fallen jede Menge Schwachpunkte. Lebewesen mit hoher Wahrnehmung k?nnen sie zum Beispiel einfach sehen und umgehen oder ihre Verbündeten warnen. Neben einer Art Pulver zum Aufdecken von Fallen gibt es auch Bomben, welche solche Fertigkeiten im Einschlagsgebiet für eine gewisse Zeit deaktivieren. Im Vergleich dazu ist ein Zapfensplitter-Schuss einfacher anzuwenden und bietet meinem Gegenüber weniger Verteidigungsm?glichkeiten. Das Potenzial solch einer Spezialisierung ist dennoch riesig. Man muss sich eben nur clever anstellen und die gegebenen Verh?ltnisse gut ausnutzen. 6 Intelligenz, 3 Einsicht und 2 Wahrnehmung pro Level k?nnen sich auch definitiv sehen lassen. Im Endeffekt kommt es darauf an, ob ich mir zutraue, mit solch einer anspruchsvollen Spezialisierung umgehen zu k?nnen.

  Nach reiflicher überlegung schlie?e ich den Botaniker der Wildnis aus meinen weiteren überlegungen aus. Es sind nicht nur die strategischen Anforderungen, bei denen ich mir unsicher bin. Eine aktivere Rolle im Geschehen zu spielen gef?llt mir einfach besser. Hingegen auf die Fehler meiner Feinde zu warten und hoffen, dass mein Plan funktioniert, klingt weitaus weniger spannend. Natürlich schadet es nicht ein Ass in der Hinterhand zu haben. Allerdings m?chte ich keine Spezialisierung haben, welche quasi ausschlie?lich auf den überraschungsmoment setzt.

  Somit bleiben nur noch Holzmagier und Naturgestalt übrig. Will ich also mehr von dem, wovon ich bereits die Grundlagen kenne, oder bin ich dazu bereit, die bittere Pille der unbekannten, seltenen Spezialisierung zu schlucken? Mich jetzt für die seltene Option zu entscheiden, wird meinen weiteren Weg nicht einfacher machen. Die Privilegien werden enorme Einschnitte darstellen. Das System wird mich bei der n?chstbesten Gelegenheit wieder durch die H?lle schicken wollen. Die kommenden Rangaufstiegsmissionen werden dann auch nicht nur aus zwei moderaten und zwei verrückten Aufgaben bestehen. Alleine der Gedanke daran l?sst mich bereits erschaudern.

  Holzmagier würde mich hingegen in normale Bahnen lenken. Ich w?re immer noch im Besitz einer unter den Menschen seltenen Klasse. Mehr über meine Magie zu lernen, w?re doch bereits Herausforderung genug oder nicht? In regelm??igen Abst?nden den Tod gerade nochmal so von der Schippe zu springen, kann auch nicht unbegrenzt oft gut gehen. Warum also sehe ich dann bei diesen Gedanken eine verschmitzt grinsende Sophie vor mir, welche sich vergnügt in die n?chste Monsterhorde schmei?t?

  Weil ich vermutlich ?hnlich einen an der Scheibe habe wie diese Frau. So schwer mir es auch f?llt das zuzugeben, aber an sein Limit zu gehen fühlt sich verdammt gut an. Pl?tzlich “normal” zu sein und den bereits bekannten Weg zu gehen, klingt ?de. Jede bestandene Herausforderung bringt eigene Belohnungen mit sich. Ohne die Rangaufstiegsmissionen w?re die Kontrolle über meine Fertigkeiten immer noch ziemlich dürftig. Mich bis ins Zentrum des Wimmerwalds vorzuschlagen hat mir Eindrücke vermittelt, von welchen ich m?glicherweise noch in Jahren zehren kann. Sich mit Ameisen anzufreunden stand ebenfalls nicht auf meiner Liste, aber wenn man ein wenig Geduld mitbringt, kann man von den Tieren eine Menge lernen. Vier seltene Spezialisierungen angeboten zu bekommen, ist die ultimative Belohnung meiner bisherigen Anstrengungen. Als Abweichler nun pl?tzlich den risikoarmen Weg zu w?hlen, würde sich rückblickend betrachtet ziemlich feige anfühlen.

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