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Kapitel 69: Kleingeld

  “Kannst du mir diese Farce bitte ersparen und zum Punkt kommen?” “Da ist aber jemand schlecht gelaunt”, bemerkt die Feuermagiern trocken. “Es kann ja nicht immer alles voller Glück und Sonnenschein sein oder?” erwidere ich. “Für ein wenig Erholung hast du dir definitiv den falschen Ort ausgesucht.” Ich mustere die Frau, die mir ihrerseits ein leichtes L?cheln schenkt. Warum müssen eigentlich Unterhaltungen mit Adligen immer so kompliziert sein? “Also gut Rina”, sage ich und lehne mich dabei in meinen Stuhl zurück, “wie ist es dir die letzten Tage so ergangen?”

  “Ich habe zusammen mit Bruno Herr Pappel bei der Ausl?schung eines Ritterspinnennestes unterstützt. Keine ungef?hrliche Angelegenheit, aber dafür sind wir nunmal hier.” “Wie überaus selbstlos von dir”, erwidere ich sarkastisch. Die Adlige zuckt nur mit den Schultern: “Du bist genauso ein Magier wie ich Torben. Sobald du den zweiten Rang erreicht hast, wirst du dich vor neuen Auftr?gen gar nicht mehr retten k?nnen. Die Qual der Wahl nicht zu unserem Vorteil zu nutzen, w?re eine Schande. Auch die Sira-Gilde hat dich in erster Linie nicht wegen deinem Talents aufgenommen. In einen Rang 1 Magier zu investieren ist zwar mühselig, aber wenn man die anf?nglichen Hürden überwunden hat, wird die Person schnell sein Gewicht in Gold wert. Kombiniert mit deinen… au?ergew?hnlichen Voraussetzungen k?nnte die Zukunft für die anderen, gr??eren Gilden in Torfbergen ungemütlich werden.”

  “Dafür müsste ich aber erst einmal meine Rangaufstiegsmissionen bestehen”; werfe ich ein. “Was uns in die gegenw?rtige, absurde Situation bringt. Im Umkreis von 30 Kilometern bist du wahrscheinlich der einzig lebende Rang 1 Mensch. Ein V?gelchen hat mir gezwitschert, dass du jeden Tag das Camp in Richtung der Grenze zu den Armeeameisen verl?sst.” Nun ist es an mir mit den Schultern zu zucken: “Ich bin nunmal ein Freund ausgedehnter Spazierg?nge.” “Und deine Leidenschaft konntest du selbstverst?ndlich nur im Wimmerwald ausleben.” “Die Natur bietet hier nunmal ein einzigartiges Ambiente", erwidere ich trocken. Eine Bemerkung, die Rina ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert: “Dir ist schon klar, dass du mir früher oder sp?ter die Wahrheit erz?hlen musst, oder?”

  Selbstverst?ndlich habe ich den von mir unterschriebenen Vertrag nicht vergessen. Allerdings zwingt mich nichts dazu, mein Wissen vor Ablauf der Frist zu verraten. Des Weiteren wei? ich mittlerweile, dass “alle Informationen zu meiner Rang 1 Klasse” eine Formulierung ist, die durchaus einen gewissen Spielraum zul?sst. Trotz aller Vorsicht sollte ich trotzdem versuchen, die Situation zu meinem Vorteil zu nutzen.

  Da die Feuermagierin nicht wei? was ich im Wald treibe muss sie davon ausgehen, dass zumindest ein moderates Riskio für mein Ableben besteht. Mein überleben sicherzustellen ist also bis zu einem gewissen Ma? auch in ihrem Interesse.

  Ich frage Rina schlie?lich, ob sie sich mit Tr?nken auskennt und schildere ihr die verschiedenen Symptome. Da die verringerte Fruchtbarkeit die Frau auf die richtige F?hrte führen k?nnte, lasse ich diese Tatsache au?en vor. Die Adlige vermutet hinter den Erscheinungen einen Fluch der Tr?gheit oder den Statuseffekt Verwirrung. Gegen Ersteren würde ein Muntermacher-Trank helfen, gegen Letzteren ein Trank des unbeirrbaren Geistes.

  Am n?chsten Tag klappern wir nacheinander die Alchemisten im Camp ab. W?hrend die ersten beiden Herrschaften uns nicht weiterhelfen k?nnen, haben wir an der n?chsten und letzten Anlaufstelle Glück: “Klingt danach, als suchte der Herr Magier nach einem Trank des unbeirrbaren Geistes. Ich habe zwar kein fertiges Exemplar parat, kann aber gerne für sie eine Phiole herstellen.'' Der Herr verlangt für den Trank 5.400 Sil und wir k?nnten das Produkt in drei Tagen bei ihm abholen. Klingt alles hervorragend bis auf die Tatsache, dass sich meine Mission nicht aktualisiert.

  Die dritte Aufgabe von “Ungew?hnlicher Vermittler” sprach ursprünglich lediglich davon, den Ameisen dabei zu helfen, ihr Problem zu l?sen. Als ich aber herausgefunden hatte, dass es der K?nigin nicht gut geht, hat sich der Text ge?ndert. W?re es dann nicht logisch, wenn sich der Wortlaut erneut anpasst, sobald ich das richtige Heilmittel gefunden habe? Technisch gesehen halte ich zwar den Trank noch nicht in meinen H?nden, aber das System würde den Fortschritt dennoch registrieren: “Haben sie noch einen anderen Trank im Angebot, welcher bei den beschriebenen Symptomen helfen k?nnte?”

  Der Alchemist überlegt eine Weile: “Nunja, wenn man wirklich sichergehen will, dann würde ich wohl zu einem Trank der geistigen Klarheit an ihrer Stelle greifen.” Ich überprüfe unverzüglich mein Missionsfenster.

  Wusste ich es doch! Eine Nachfrage sp?ter ist auch klar, dass der Alchemist die Mixtur für mich herstellen k?nnte. Allerdings dauert das Prozedere ganze sechs Tage und kostet 27.000 Sil!: “Sie müssen verstehen Herr Magier, dass bei der Herstellung dieses Trankes eine Menge Fingerspitzengefühl gefordert ist. Bereits kleinste Fehler k?nnen die hochwertigen Zutaten ruinieren. Von meinen…. Kollegen im Camp k?nnen sie ein Produkt dieser Klasse nicht erwarten.” Selbst wenn die Aussage des Alchemisten stimmen sollte, fühle ich mich hier trotzdem über den Tisch gezogen. 27.000 Sil kommt einem Schlag ins Gesicht gleich!

  Wir verabschieden uns und nehmen Kontakt mit Marco auf. Der Bogenschütze kl?rt mich darüber auf, dass ein Trank der geistigen Klarheit so etwas wie der gro?e Bruder vom Trank des unbeirrbaren Geistes ist. Das Zeug macht mit praktisch allen g?ngigen Statuseffekten, die sich auf dein Oberstübchen auswirken, kurzen Prozess. Selbst bei einigen Flüchen hilft der Trank. Normalerweise zahlt man für so etwas wohl um die 20.000 Sil und l?sst die Mixtur von einem Rang 3 Alchemisten anfertigen. Luxus, den wir nicht haben.

  Selbstverst?ndlich sind wir auch meilenweit davon entfernt, uns das Gebr?u überhaupt leisten zu k?nnen. Es konnte ja keiner ahnen, dass wir mitten im Wimmerwald pl?tzlich solch eine saftige Summe ben?tigen würden. Marco hat uns zwar sicherheitshalber 10.000 Sil mitgegeben, aber selbst wenn ich meine eigenen Ersparnisse mit dazu lege, fehlen mir immer noch rund 11.000 Münzen. Wo soll ich bitte so viel Geld in knapp zwei Tagen herbekommen? Die Ameisen werden von dieser Entwicklung alles andere als begeistert sein.

  Zurück an der Grenze gilt es für mich, einer fremden Spezis das Konzept des Tauschhandels zu erkl?ren. Den Ameisen aber klar zu machen, dass es so etwas wie individuelles Eigentum gibt, nimmt bereits die restliche Zeit des Tages in Anspruch. Auf eine gewisse Art und Weise ist es ja sehr vorbildlich, wie die Waldbewohner mit ihrem Besitz umgehen. Das Wort Egoismus ist für diese Gesch?pfe ein absolutes Fremdwort. Alles wird miteinander geteilt und jedes Mitglied nimmt nur soviel, wie es auch wirklich braucht. Der Rest wird für schlechte Zeiten oder für neue Brut aufbewahrt. Im menschlichen Miteinander funktionieren die Dinge ein wenig anders.

  Mithilfe diverser, teilweise wirklich furchtbarer Zeichnungen meinerseits, setze ich am n?chsten Tag meine Erkl?rungsversuche fort. Menschen gehen ?hnlich wie Ameisen nur einer speziellen T?tigkeit nach. Klack! Diese Handlung produziert einen gewissen Wert, welchen sie anderen Menschen zum Tausch anbietet. Klack! An dieser Stelle tippt die Magierameise auf eine leere Phiole, welche die Tiere wohl einem toten Abenteurer abgekn?pft haben. Der Waldbewohner berührt anschlie?end dreimal mit seinen Mandibeln den Boden, was unser etabliertes Zeichen für eine Frage ist. Ich tippe ebenfalls mehrmals auf den Flakon und klatsche einmal.

  Im Anschluss positioniere ich das Fl?schchen vor der Magierameise, beschw?re einen Sil aus meinem Inventar und tauche ihn mit dem Gef?? aus. Das Gleiche mache ich mit verschiedenen Gegenst?nden um zu demonstrieren, dass Menschen diverse Sachen gegen solche Münzen tauschen. Nach meiner Darbietung dauert es zwar einen Moment, aber schlie?lich legt mir mein Gegenüber einen Zweig vor die Fü?e und l?sst eine Münze aus dem Nichts erscheinen.

  Fassungslos starre ich das Tier an. Das ist nicht gerade wirklich passiert! Die Ameise verfügt über ein verdammtes Inventar! Warum sollten sie denn auch keins haben? Menschen haben eins, die verschiedenen Tiermenschen haben eins, wieso also nicht auch intelligente Insekten? Viel wichtiger ist jedoch die Erkenntnis, dass die Ameisen Sil besitzen.

  Wenn ich ein Lebewesen t?te, bekomme ich dafür Erfahrung und Sil. Ein Inventarplatz kann maximal 50 Münzen beherbergen und jeder Mensch verfügt grunds?tzlich über fünf solcher Pl?tze. Mal angenommen, dass diese Tatsache auch für die Ameisen zutrifft und die Kolonie gegenw?rtig aus etwa 20.000 Tieren besteht, dann k?nnten diese Tiere über ein Verm?gen von 5.000.000 Sil verfügen. Bei dieser Erkenntnis l?uft es mir kalt den Rücken runter: “Das nenn ich mal eine neue Dimension von Kleingeld.”

  Die n?chsten zwei Stunden verbringe ich damit zu vermitteln, dass mir eine gro?e Menge an Münzen fehlen, um diese für das Heilmittel der K?nigin zu tauschen. Nachdem ich der Magierameise einmal versichert habe, dass der Trank der geistigen Klarheit die ernste Situation der Kolonie beheben kann, setzt sich eine unglaubliche Kettenreaktion in Gang. Ameise um Ameise krabbelt aus dem Unterholz auf mich zu, l?sst eine Handvoll Münzen auf den Boden fallen und verschwindet wieder. 32 Sil, 72, 109….670, 4.211, 17.300….

  Am frühen Abend bringe ich den Alchemisten vier prall gefüllte Münzbeutel und gebe den Trank in Auftrag. Sechs Tage sp?ter überreicht mir dann der Herr eine Phiole mit einer zart wei?en Flüssigkeit darin. Unverzüglich begebe ich mich an die Grenze und übergebe den Ameisen ihre dringend ben?tigte Ware. Auf dem Rückweg zum Camp befinden sich nun nur noch zwei Eintr?ge in meinem Missionsfenster.

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